Edouard Carmignac greift zur Feder und kommentiert aktuelle wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Herausforderungen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie lassen sich die erstaunliche Robustheit der amerikanischen Konjunktur sowie die Abschwächung der europäischen Wirtschaftsaktivität und die zahlreichen Schwachpunkte im Schwellenländer-Universum miteinander in Einklang bringen? Was ist mit dem erneuten kräftigen Aufwärtstrend des Dollars, wo doch die US-Regierung neben den erheblichen Zahlungsbilanzdefiziten das Haushaltsdefizit in die Höhe treibt? Und wie soll man das Aufkommen der zahlreichen populistischen Regierungen weltweit interpretieren, unter denen die italienische Regierung für Europa eine ernsthafte Gefährdung darstellt?
Die Ausweitung der Wachstumsunterschiede und das Florieren politischer Anti-Establishment-Bewegungen haben einen gemeinsamen, einfachen, aber schwer hinzunehmenden Grund: die unausweichliche Abschwächung der Konjunkturaussichten und die damit verbundene weitere Stärkung der starken Länder zulasten der schwachen. Wenn darüber hinaus die größte Weltmacht droht, im Rahmen ihrer Handelsbeziehungen eine räuberische Politik umzusetzen, können die Befürchtungen einer Vertiefung der Ungleichheiten nur noch zunehmen.
Haben die Märkte diese Risiken heute schon berücksichtigt? Wir glauben natürlich weiterhin nicht an einen protektionistischen Krieg zwischen den USA und ihren Handelspartnern, insbesondere China. Diese beiden Volkswirtschaften sind zu sehr voneinander abhängig, und Donald Trump wird vor den Zwischenwahlen Anfang November nur bedeutende Zugeständnisse von Nordkorea erhalten, wenn er die Unterstützung von Xi Jinping hat. Der bis heute zu vernachlässigende Einfluss dieser Spannungen in den Handelsbeziehungen auf die US-Wirtschaftsaktivität und die politische Unterstützung für diese kompromisslose Haltung, sowohl seitens der republikanischen Wählerschaft als auch seitens der Mehrheit des amerikanischen Unternehmertums, lassen keine baldig Beilegung der Meinungsverschiedenheiten erkennen.
Das wahrscheinliche Anhalten dieser Spannungen oder gar ihre weitere Zuspitzung in den kommenden Wochen veranlasst uns zur Vorsicht, vor allem auf den nicht-amerikanischen Märkten, die durch die in den USA auf den Weg gebrachte Straffung der Geldpolitik und den Ölpreisanstieg bereits auf die Probe gestellt wurden. Die amerikanischen Unternehmen selbst würden beeinträchtigt durch die in der restlichen Welt bereits stattfindende Konjunkturabschwächung und die Schwierigkeiten, ihre Margen zu verteidigen, die vom Anstieg der US-Lohnkosten und der Rohstoffpreise untergraben werden.
Deshalb ist es unabdingbar, aber auch wahrscheinlich, dass diese Handelsspannungen bis zum Ende des Sommers ausgeräumt sind. In der Zwischenzeit bevorzugt unsere Strategie für diese Unwägbarkeiten wenig anfällige Anlagen, nämlich vorwiegend amerikanische Technologieunternehmen und Erdölwerte, die weiterhin von einem für Mineralölerzeugnisse günstigen Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage profitieren. Sind diese Ungewissheiten erst einmal beseitigt, könnten die Schwellenländer, allen voran chinesische Werte, eine kräftige Erholung erleben, umso mehr, als sie die derzeit erfolgende weltweite Liquiditätsverknappung weniger beeinträchtigt.
Dieser Umgang mit den Marktrisiken und die Suche nach Gelegenheiten sollten dazu beitragen, Ihren Sommerurlaub entspannter zu machen.
In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichen Grüßen